Nach Ablehnung des WC-Gesetzes, wie es Kritiker gerne nennen, am 24.11.2023 durch den Bundesrat hatte am 21.02.2024 der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beraten. Spät abends gab es dann ein Ergebnis – ein unechtes, wie es in Berlin genannt wird, wenn nur ein Teil der Mitglieder dafür stimmt.
Nachdem der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Koalition der Light-Version des Wachstumschancengesetzes am 23.02.2024 zugestimmt hat, wird nun erneut der Deutsche Bundesrat darüber beraten. Der Ausgang der Abstimmung am 22.03.2024 im Bundesrat gilt jedoch als völlig offen.
Die Drohung der Opposition von CDU und CSU steht: Wenn die Koalition nicht zusagt, die Kürzung des Agar-Diesel-Vorteils zurückzunehmen, werden die unionsgeführten Bundesländer dem Kompromiss zum Wachstumschancengesetz ggf. nicht zustimmen, vgl. zuletzt Handelsblatt vom 23.02.2024.
Ob dies für alle Bundesländer mit Unionsbeteiligung an der Regierung gilt, ist ebenfalls offen. Bis zur Bundesratssitzung am 22.03.2024 muss ggf. ein Kompromiss gefunden werden – oder das Wachstumschancengesetz wäre endgültig gescheitert, vgl. bereits FAZ-Reportage vom 01.02.2024 (Titel: „Merz lehnt Zusammenarbeit mit der Regierung grundsätzlich ab“).
Angesichts der schwierigen Haushaltslage schließt die Bundesregierung ein finanzielles Entgegenkommen gegenüber den Ländern aktuell aus. Eine endgültige Verabschiedung des Gesetzes wäre nun in der Sitzung des Bundesrates am 22.03.2024 denkbar, vgl. zuletzt Frankfurter Allgemeine Zeitung und Handelsblatt vom 23.02.2024.
Zeitplan:
21.02.2024 Sitzung des Vermittlungsausschusses mit „unechtem“ Ergebnis
23.02.2024 Zustimmung des Bundestages zum Wachstumschancengesetz „light“
22.03.2024 ggf. Zustimmung durch den Bundesrat
Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens
Im März 2024 muss nun ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden, sonst scheitert das Wachstumschancengesetz endgültig, vgl. bereits Handelsblatt-Reportage „Wachstumschancengesetz: Union blockiert Steuerentlastungen“ vom 07.02.2024.
Über die Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens werden wir zu gegebener Zeit im März 2024 die Seminarteilnehmer von ALS Seminare in einem Sonder-Newsletter informieren.
Kernpunkte der geplanten Neuregelung
Nach dem „unechten“ Vermittlungsergebnis vom 21.02.2024 und dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 23.02.2024 für die Light-Version ergibt sich aktuell folgendes Bild:
Lohnbuchhaltung
- Seit dem 23.02.2024 im Wachstumschancengesetz nicht mehr vorgesehen: Erhöhung der steuerfreien Verpflegungsmehraufwendungen bei einer beruflich veranlassten Abwesenheit im Zusammenhang mit vorübergehenden Auswärtstätigkeiten im Inland von mindestens 24 Stunden von 28,00 EUR auf 32,00 EUR bzw. von mehr als acht Stunden von 14,00 EUR auf 16,00 EUR, § 9 Abs. 4a Satz 3 EStG-E (alt).
- Seit dem 23.02.2024 nicht mehr vorgesehen: Erhöhung des Freibetrages für Betriebsveranstaltungen pro Arbeitnehmer für max. zwei Veranstaltungen im Jahr von 110,00 EUR auf 150,00 EUR, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG-E (alt).
- Weiterhin vorgesehen: Streckung des am 01.01.2005 begonnen Abbaus des Versorgungsfreibetrages von 40 % der Versorgungsbezüge, max. 3.000,00 EUR zzgl. Zuschlag von 900,00 EUR auf Null bis zum Kalenderjahr 2040 nunmehr bis zum Kalenderjahr 2058 mit rückwirkenden Verbesserungen ab 01.01.2023, § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG-E (neue Tabelle) – Umsetzung für Lohnzahlungszeiträume ab Januar 2025.
- Weiterhin vorgesehen: Streckung des am 01.01.2005 begonnen Abbaus des Altersentlastungsbetrages von 40 % der Einkünfte, max. 1.900,00 EUR auf Null bis zum Kalenderjahr 2040 nunmehr bis zum Kalenderjahr 2058 mit rückwirkenden Verbesserungen ab 01.01.2023, § 24a Satz 5 EStG-E (neue Tabelle) – Umsetzung ab 1/2025.
- Weiterhin vorgesehen: Aufhebung der Obergrenze von 100,00 EUR im Kalenderjahr (für den steuerlich anzusetzenden Durchschnittsbeitrag ohne Versicherungssteuer je Arbeitnehmer) für die Lohnsteuerpauschalierung i.H.v. 20 % der Beiträge für (Gruppen-)Unfallversicherungen von Arbeitnehmern, § 40b Abs. 3 EStG-E.
- Weiterhin vorgesehen: Wegfall der Fünftelungsregelung/-methode für bestimmte Arbeitslöhne (Entschädigungen wie z.B. Abfindungen und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten wie z.B. Jubiläumszuwendungen) im Lohnsteuerabzugsverfahren (Aufhebung des § 39b Absatz 3 Satz 9 und 10 EStG, Beibehaltung der Regelung im Einkommensteuerverfahren) – Inkrafttreten: Ein Tag nach Gesetzesveröffentlichung.
- Weiterhin vorgesehen: Anhebung des Grenzwertes für den Bruttolistenpreis für die vergünstigte Versteuerung der privaten Nutzung eines Elektrofahrzeuges mit einem Viertellistenpreis von 60.000,00 EUR auf 70.000,00 EUR für Anschaffungen ab dem 01.01.2024, § 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG-E.
Finanzbuchhaltung
- Weiterhin vorgesehen: Erhöhung des Grenzwertes für die (Nicht-)Abzugsfähigkeit von Geschenken an Nicht-Arbeitnehmer als Betriebsausgabe von 35,00 EUR auf 50,00 EUR, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG-E.
- Seit dem 23.02.2024 nicht mehr vorgesehen: Anhebung des Grenzwertes für die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) von 800,00 EUR auf 1.000,00 EUR, § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG-E (alt).
- Seit dem 23.02.2024 nicht mehr vorgesehen: Anhebung des Grenzwertes für das einzelnen Wirtschaftsgut für die Bildung eines Sammelpostens zur Abschreibung von 1.000,00 EUR auf 5.000,00 EUR, § 6 Abs. 2a Satz 1 EStG-E (alt).
- Seit dem 23.02.2024 nicht mehr vorgesehen: Erhöhung des Schwellenwertes von der Befreiung der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von 1.000,00 EUR auf 2.000,00 EUR.
Persönliche Einkommensteuerklärung bei den privaten Einkunftsarten
- Weiterhin vorgesehen: Streckung der am 01.01.2005 begonnen Erhöhung des Besteuerungsanteils von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 50 % auf 100 % bis zum Kalenderjahr 2040 nunmehr bis zum Kalenderjahr 2058 mit rückwirkenden Verbesserungen ab 01.01.2023, jährliche Steigerung des Besteuerungsanteils nicht mehr 1,0 %, sondern nur noch 0,5 % pro Kalenderjahr, § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 EStG-E (neue Tabelle).
- Weiterhin vorgesehen: Erhöhung der Freigrenze bei privaten Veräußerungsgeschäften von 600,00 EUR auf 1.000,00 EUR, § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG-E.
Ergänzender Hinweis zur Abschaffung der Fünftelungsregelung:
Die Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren wird voraussichtlich nicht rückwirkend, sondern einen Tag nach Veröffentlichung des Wachstumschancengesetzes im Bundesgesetzblatt (BGBl) erfolgen.
Die Fünftelungsregelung kann daher bei Auszahlungen im Januar und Februar 2024 sowie ggf. im März 2024 noch angewendet werden, wenn alle erforderlichen Voraussetzungen (positives Ergebnis der Zusammenballungsprüfungen und positives Ergebnis bei der Günstigerprüfung) vorliegen.
Ergänzender Hinweis zu den Änderungen beim Versorgungsfreibetrag und Altersentlastungsbetrag:
Die Änderungen beim Versorgungsfreibetrag und Altersentlastungsbetrag sollen zum Teil rückwirkend zum 01.01.2023 in Kraft treten. Nach unserer Einschätzung wird es bei der Rückwirkung zum 01.01.2023 bleiben, da die geplanten Änderungen mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Unzulässigkeit der Doppelbesteuerung von Renteneinkünften im Zusammenhang stehen.
Nach § 41c Abs. 1 EStG ist der Arbeitgeber auch bei rückwirkender Gesetzesänderung zur Rückrechnung verpflichtet, wenn ihm die Aufrollung der bereits abgerechneten Lohnzahlungszeiträume wirtschaftlich zumutbar ist, § 41c Abs. 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG.
Andererseits verbietet § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG dem Arbeitgeber in abgeschlossene Besteuerungszeiträume einzugreifen, d.h. nach Übertragung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung an die Finanzverwaltung, die nach Ablauf des Kalenderjahres spätestens bis zum 28.02. des Folgejahres zu erfolgen hat.
Daher dürfte sich die Rückrechnungsverpflichtung des Arbeitgebers in nahezu 100 % der Fälle auf die Lohnabrechnungszeiträume ab 01.01.2024 beschränken bzw. überhaupt nicht bestehen, sofern die geänderten Freibeträge nach den endgültig verabschiedeten Übergangsregelungen in § 52 EStG ggf. erst ab dem 01.01.2025 angewendet werden dürfen.
Etwaige Steuererleichterungen für das Kalenderjahr 2023 (und ggf. 2024) können dann bei den betroffenen Arbeitnehmern nur über die persönliche Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden.
Ergänzender Hinweis zum Reisekostenrecht:
Durch den Entwurf eines Wachstumschancengesetzes war es zunächst vorgesehen, die Tagegelder von 14,00 EUR bzw. 28.00 EUR zum 01.01.2024 auf 16,00 EUR bzw. 32,00 EUR zu erhöhen. Hierzu ist es aufgrund der Nicht-Zustimmung durch den Bundesrat und der im Anschluss vorgenommenen Verringerung des Entlastungsvolumens bisher nicht gekommen.
Soweit Arbeitgeber dennoch ab 01.01.2024 die höheren Tagegelder gezahlt haben, sollte eine zeitnahe Rückforderung oder Nachversteuerung der Differenzbeträge (mit 25 % gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG) erfolgen.