Von Tobias R. Thauer M.A.*
Arbeitgeber müssen nach § 108 Gewerbeordnung (GewO) ihren Beschäftigten regelmäßig eine Abrechnung des Arbeitsentgelts („Lohn- oder Vergütungsabrechnung“) in Textform zur Verfügung stellen. Über viele Jahre hinweg wurden daher monatlich Abrechnungen erstellt und den Beschäftigten in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt. Mit der voranschreitenden Digitalisierung änderte sich diese Form der Vergütungsabrechnung bei vielen Arbeitgebern sukzessive hin zu einer digital zur Verfügung gestellten Abrechnung, auch weil das jährliche Druckvolumen gerade bei großen Arbeitgebern mit mehreren tausend Beschäftigten einen nicht unerheblichen Kostenfaktor darstellt. Arbeitnehmer hingegen können somit ihre Abrechnung problemlos digital aufbewahren.
Auch wenn dieser Ansatz aus Sicht des kostenverantwortlichen Controllers nachvollziehbar ist, so war bisher aus arbeitsrechtlicher Perspektive höchstrichterlich noch ungeklärt, ob eine rein digitale Zurverfügungstellung der Abrechnung überhaupt zulässig war, oder ob Beschäftigte weiterhin einen Anspruch auf eine ausgedruckte Abrechnung haben.
Ausgedruckte Vergütungsabrechnungen waren über viele Jahre hinweg üblich.
Mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm (Urt. v. 23.09.2021, Az. 2 Sa 179/21) wurde diese Frage bereits vor etwa drei Jahren eindeutig beantwortet: „Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers, sondern auch deren Zugang bei Arbeitnehmer zu verstehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.“ Voraussetzung hierfür war jedoch die Zustimmung der Beschäftigten (Leitsatz d. Entscheidung).
LAG Hamm: Das Erstellen einer digitalen Vergütungsabrechnung und Bereitstellung zum Download ist grundsätzlich zulässig – wenn der Beschäftigte damit einverstanden ist.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat sich zu Beginn dieses Jahres mit der Fragestellung aufgrund der Klage einer Verkäuferin in Niedersachsen ebenso auseinandersetzen müssen (BAG, Urt. v. 28.01.2025, Az. 9 AZR 487/24). Im Wesentlichen musste sich die Erfurter Richter mit der Frage befassen, ob Gehaltsabrechnungen (und andere Personaldokumente) nunmehr ausschließlich elektronisch in einem zugangsgeschützten Mitarbeiterportal auch ohne Zustimmung des Beschäftigten zur Verfügung gestellt werden dürfen.
Die Klägerin vertrat vor dem BAG die Auffassung, dass der Arbeitgeber ihre Abrechnung weiterhin ausdrucken müsse, da sie keine Zustimmung für die rein digitale Zurverfügungstellung gegeben hätte. Das BAG entschied in dem Verfahren jedoch anders als die Vorinstanz und stellte fest, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers auch mit einer digitalen Abrechnung, die elektronisch in einem Postfach abgerufen werden kann, erfüllt sei, so der Vorsitzende Richter. Beschäftigten ohne entsprechende Technik ist jedoch der Zugang zu den Daten und das Ausdrucken von Abrechnungen im Betrieb zu ermöglichen. Das sei im vorliegenden Fall sichergestellt gewesen, so dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus GewO erfüllt habe.
Bundesarbeitsgericht: eine digitale Vergütungsabrechnung ist auch ohne Zustimmung des Beschäftigten zulässig, wenn ein Ausdruck im Betrieb erfolgen kann.
Für die Praxis der Personalverwaltungen bedeutet dies, dass Arbeitgeber somit zukünftig ihre Verpflichtung aus § 108 GewO auch dann erfüllen, wenn sie die Abrechnungen ausschließlich digital zur Verfügung stellen und einen Ausdruck innerhalb des Betriebs ermöglichen. Dies erspart mit Blick auf derzeit knapp 35 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer nicht nur enorme Papier- und Druckkosten: das Bundesarbeitsgericht trägt damit auch einen gar nicht so kleinen Teil zum Bürokratieanbau bei.