Neues vom Bundesarbeitsgericht: Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte

Januar 21, 2025

Von Tobias R. Thauer M.A.*

Die Frage, ob auch Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf tarifvertraglich vereinbarte Überstundenzuschläge haben, ist für Personalverantwortliche in der Praxis von wesentlicher Bedeutung. Nach der bisherigen Rechtslage bestand für Teilzeitbeschäftigte lediglich dann ein Anspruch auf Überstundenzuschläge, wenn sie innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten. In der Praxis führte dies dazu, dass Überstundenzuschläge bei Beschäftigten mit verringerter Arbeitszeit auch dann nicht anfielen, wenn diese mehr als die individuelle vereinbarte Arbeitszeit leisteten.

Bisher laut Bundesarbeitsgericht (BAG) kein Anspruch auf Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte.

Gegen diese Praxis klagte eine medizinische Beschäftigte in einem ambulanten Dialysezentrum. Der beim Arbeitgeber angewendete Tarifvertrag beinhaltete eine Regelung, nach der Überstunden erst nach dem Überschreiten der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten anfielen und berücksichtigte nicht die geringere individuelle Arbeitszeit der Klägerin.

Das BAG hat im Rahmen dieses Verfahrens (BAG, Urteil v. 5.12.2024 – Az. 8 AZR 370/20) seine bisherige Rechtsprechung grundlegend geändert und festgestellt, dass auch bei Teilzeitbeschäftigten bereits bei Überschreiten der individuellen Arbeitszeit Anspruch auf einen tariflichen Überstundenzuschlag haben.

Im Verfahren begehrte die Klägerin, welche einen Beschäftigungsumfang von ca. 40% eines Vollzeitbeschäftigten arbeitsvertraglich vereinbart hatte, Zuschläge für ca. 129 Stunden, für die sie weder Zuschläge noch Zeitgutschriften erhielt. Die Klägerin begründete ihren Anspruch im Wesentlichen damit, dass sie durch die tarifliche Regelung gegenüber einem Vollzeitbeschäftigten benachteiligt würde, was einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG darstelle. Zudem beanspruchte sie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, wegen einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung, da beim Arbeitgeber überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten würden, so dass vor allem diese durch die tarifvertraglichen Regelungen benachteiligt wären.

Das BAG stellte in seiner Entscheidung fest, dass die tarifvertragliche Regelung insoweit unwirksam wäre, da diese Überstundenregelung Teilzeitbeschäftigte benachteilige und somit einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot für Teilzeitbeschäftigte darstellt. Ein sachlicher Grund, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen würde, liegt nicht vor.

Teilzeitbeschäftigte haben nunmehr ebenso Anspruch auf Überstundenzuschläge bereits bei Überschreiten der individuellen (geringeren) Arbeitszeit.

Zudem wurde der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 250 EUR nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da sie durch die bisherige Anwendung der tarifvertraglichen Überstundenregelung eine Diskriminierung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Praxishinweis: Das Urteil des BAG ändert die bisherige Rechtslage nunmehr grundlegend. Im Anwendungsbereich von Tarifverträgen, die einen Zuschlag für die Leistung von Überstunden vorsehen, sind nunmehr entsprechende finanzielle Zuschläge und/oder Zeitzuschläge auch bei Teilzeitbeschäftigten zu berücksichtigen. Zudem sind ggf. Nachforderungen von Teilzeitbeschäftigten zu erwarten, wobei jedoch gesetzliche und (eventuell kürzere tarifliche) Ausschlussfristen zu berücksichtigen sind.

*Der Verfasser ist Personalleiter der Thüringer Verwaltungsschule (TVS) Weimar und Fachdozent für Arbeits- und Tarifrecht.