von Tobias R. Thauer M.A., Personalleiter TVS Weimar
Der deutsche Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 01.08.2022 aufgrund der europäischen Arbeitsbedingungen-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union) den § 15 Abs. 3 TzBfG neu gefasst und darin vorgesehen, dass die Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen in einem angemessenen Verhältnis zur Art der Tätigkeit und der voraussichtlichen Befristungsdauer stehen soll.
Probezeit und voraussichtliche Vertragsdauer müssen bei befristeten Arbeitsverhältnissen in einem angemessenen Verhältnis stehen.
In Deutschland beträgt die Probezeit, die von der Wartezeit für den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG zu unterscheiden ist, regelmäßig sechs Monate. Innerhalb dieser Zeit sind die Kündigungsfristen für beide Arbeitsvertragsparteien recht kurz gehalten: normalerweise kann ein Arbeitsverhältnis in dieser Zeit von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden, § 622 Abs. 3 BGB. Abweichungen sind durch die Öffnungsklausel des § 622 Abs. 4 BGB grundsätzlich beispielsweise durch Tarifvertrag zulässig, jedoch darf die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers auch in einer vereinbarten Probezeit nicht länger sein als die des Arbeitgebers, § 622 Abs. 6 BGB.
Mit der Novellierung des § 15 TzBfG wurde jedoch im Falle befristeter Arbeitsverträge bestimmt, dass die Kündigungsfrist unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vertragsdauer nicht unverhältnismäßig sein darf. Eine feste Bezugsgröße oder eine zeitliche Eingrenzung wurde durch den Gesetzgeber leider nicht bestimmt, was für Personalverantwortliche in der Praxis die wesentliche Frage aufwarf, wie lang denn eine angemessene Probezeit sein darf, und von welchen Faktoren diese -neben der Zeitdauer einer Befristung- abhängig ist.
Das LAG Schleswig-Holstein entschied 2023 einen Fall zur Dauer der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Nach Ansicht des Gerichts darf die Probezeit die Hälfte des voraussichtlichen Befristungszeitraums umfassen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 18. Oktober 2023 – 3 Sa 81/23). In Ausnahmefällen sei aufgrund besonderer Tätigkeiten auch eine längere Befristung möglich. Welche Arten von Tätigkeiten dies sein könnten, ließ das Gericht leider offen. Das LAG Berlin-Brandenburg demgegenüber hat jedoch in einem Urteil 2024 festgestellt, dass maximal 25% der Vertragslaufzeit als Probezeit als angemessen angesehen werden kann (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23). Beide LAG haben die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen, so dass diese Werte noch einer höchstrichterlichen Würdigung durch das Bundesarbeitsgericht bedürfen.
Eine Probezeitdauer von maximal ¼ der voraussichtlichen Vertragsdauer als Richtwert?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 05.12.2204 zumindest mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei einer sechsmonatigen Befristung zur Erprobung auch eine sechsmonatige Probezeit vereinbart werden kann, insbesondere, wenn eine erfolgreiche Bewährung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses zu einem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit führt. Im Falle einer Nichtbewährung solle das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der ersten sechs Monate enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Das BAG hat in diesem Verfahren festgehalten, dass sich eine Probezeit nicht über die komplette Befristungsdauer erstrecken darf, soweit nicht weitere -besondere- Umstände hinzutreten. Ansonsten sei eine solche Probezeitvereinbarung unwirksam (BAG, Urteil v. 05.12.2024, 2 AZR 275/23).
BAG: Die Probezeit darf sich nicht auf die gesamte Vertragsdauer erstrecken.
Das Gericht hat leider in diesem Fall nicht abschließend entschieden, in welchem Verhältnis voraussichtliche Vertragsdauer und Probezeit stehen sollen (a.a.O., Rn. 18), so dass sich die Praxis an dieser Stelle weiterhin an der (nach Ansicht des Verfassers kürzeren) Probezeitentscheidung des LAG Berlin-Brandenburg orientieren sollte.
Zudem wurde durch das BAG auch die sich daraus ergebende, nicht unwesentliche Frage geklärt, ob das Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Probezeitvereinbarung überhaupt wirksam ordentlich gekündigt werden kann, oder ob eine solche zur ordentlichen Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für die Vertragsdauer führt. Soweit arbeits- oder tarifvertraglich die ordentliche Kündigung des befristeten Arbeitsvertrags nach § 15 Abs. 4 TzBfG zulässig ist, so wirkt sich eine etwaige Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung nach Auffassung des BAG auf diese Regelung nicht aus. Die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung lässt die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses unberührt (a.a.O., Rn. 30), eine ordentliche Kündigung ist daher unter Berücksichtigung der entsprechend längeren Kündigungsfrist zulässig.
Für Personalverantwortliche ist die Frage, welches Verhältnis als angemessen gilt, weiterhin unbeantwortet, so dass die Rechtsprechung des BAG abzuwarten bleibt. In der Zwischenzeit sollte eine Probezeitvereinbarung nach Meinung des Verfassers maximal ¼ der voraussichtlichen Arbeitsvertragsdauer umfassen, und eine eventuelle Kündigung sollte hilfsweise mit der längeren Kündigungsfrist ausgesprochen werden.